Berlin Briefing, Sitzungswoche 06. Oktober – 10. Oktober 2025
- SPD und engagierte Bürger
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Diese Woche waren meine Gedanken bei den Geiseln, Familien und den Ermordeten, die am 07. Oktober 2023 Opfer der Hamas wurden. Oft denke ich an die Schicksale, von denen ich durch Berichte erfuhr – jedes einzelne ist an Grausamkeit nicht zu übertreffen – jedes einzelne berührt mich zutiefst. Der 07. Oktober war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoa. Die letzten Geiseln müssen endlich freigelassen werden. Das ist der erste Schritt zu einem echten Frieden. In Deutschland kommt es vermehrt zu antisemitischen Straftaten und Übergriffen: Unsere Haltung ist klar: Für Hass und Ausgrenzung gibt es keinen Platz in unserer Gesellschaft!
Aktuelle Beschlüsse aus dem Koalitionsausschuss
Sichere Arbeitsplätze in Industrie und Mittelstand sowie Wirtschaftswachstum waren unsere Prioritäten in den Beratungen des Koalitionsausschusses. In den Verhandlungen haben wir uns nun auf die Aktivrente geeinigt. Wer zukünftig länger arbeiten möchte, kann dies nun für bis zu 2000 Euro steuerfrei tun. Die Aktivrente sowie die bereits im Parlament liegenden Gesetzentwürfe zur Renten-Haltelinie, der Mütterrente und das zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz werden noch in diesem Jahr beschlossen, damit sie am 1. Januar 2026 in Kraft treten können. Die Frühstartrente folgt so schnell wie möglich.
Mit einem Infrastrukturbeschleunigungsgesetz werden wir beim Bau von Straße, Schiene und Wohnungen das Deutschland Tempo anlegen. Das Sondervermögen Infrastruktur muss schnell vor Ort ankommen. Dafür stehen Rekordsummen bereit. Wir haben klargestellt: Alles, was baureif ist, kann gebaut werden. Dafür schaffen wir mehr Flexibilität zwischen Sanierung und Aus- und Neubau. Super ist auch, dass wir klimaneutrale Mobilität noch stärker fördern wollen – insbesondere für Haushalte kleiner und mittlerer Einkommen. Für dieses Förderprogramm werden die Mittel des EU-Klimasozialfonds zuzüglich von insgesamt 3 Mrd. Euro aus dem KTF bis 2029 verausgabt.
Dass die Bürgergeldreform nicht unser Projekt ist, war offensichtlich. Sieht man sich die Details an, wird klar: Für die meisten Menschen im Bürgergeld, ändert sich nichts: Für die Aufstocker, die Kinder- und Jugendlichen und für alle, die sich qualifizieren und in Maßnahmen sind.
Starke Sanktionsverschärfungen sollen bei Meldeversäumnissen kommen - aber hier nach einer Abfolge mehrfacher Kontaktaufnahmen. Wer einen 1. Termin ohne Meldung eines Grundes verstreichen lässt, erhält einen 2. Termin. Wird auch der ohne Rückmeldung nicht wahrgenommen, erfolgt eine Leistungskürzung um 30% und ein 3. Termin. Wird auch der ohne Rückmeldung nicht wahrgenommen, wird die Leistung komplett gestrichen und angekündigt, dass im darauffolgenden Monat die Kosten der Unterkunft ausbleiben. Die Jobcenter werden in der aufsuchenden Beratung gestärkt - sie müssen klären, ob bei solchen Fällen Kinder im Haushalt leben oder eine psychische Erkrankung vorliegt oder andere Härtefallgründe. Dann erfolgen diese Kürzungen nämlich nicht.
Ich finde das nicht unsozial oder unmenschlich - wer viermal ohne Grund vom Arbeitsplatz fernbleibt, erhält auch eine Kündigung.
Der Kompromiss enthält auch Verbesserungen für Menschen im Bürgergeld, die sich nicht verweigern, aber deren Situation schwer ist:
• wir schaffen die temporäre Bedarfsgemeinschaft ab - eine deutliche Verbesserung für Alleinerziehende. Das war einer unserer großen Punkte der Kindergrundsicherung, die dann nicht mehr kam. Das System der TB ist eine bürokratische Katastrophe für die alleinerziehenden Elternteile und eine Neuregelung zugunsten von Mehrbedarfen ist eine Verbesserung.
• wir verbessern die Reha- und Gesundheitsprävention! 60% der Langzeitarbeitslosen sind wegen gesundheitlicher Probleme nicht in Arbeit. Da müssen die Jobcenter viel besser werden, psychische Erkrankungen zu erkennen und Unterstützung zu ermöglichen! Dafür soll es auch mehr Geld geben für die Jobcenter.
• Erwerbsfähigkeit neu definieren: das kann den Verschiebebahnhof zwischen SGB II und Rente endlich auflösen, unter dem viele Menschen, die kaum mehr arbeiten können, leiden und über Jahre zwischen den Behörden hin und her laufen müssen.
Ihr seht: es kommt auf die Details und die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes jetzt an. Klar ist, dass wir mit dem Skalpell scharf entlang der Linie geregelt haben, dass wirklich nur Totalverweigerer stärker sanktioniert werden, die arbeiten könnten und ohne Grund nicht mitwirken, wieder arbeitsfähig zu werden.
Wehrdienst beruht auf Freiwilligkeit
Dass Söder und Co. nun wieder die Mäuler aufreißen, war abzusehen: „Wischi-Waschi“ nennt Söder es, wenn wir auf einen freiwilligen Wehrdienst setzen. Unser Minister Pistorius sagt richtig: Wir müssen die Attraktivität der Bundeswehr deutlich steigern und so junge Menschen gewinnen, anstelle auf alte Pflichtmodelle zu setzen. Beispielsweise sind ein Brutto-Einstiegsgehalt von 2.700 Euro sowie ein Führerschein Anreize, die einen freiwilligen Dienst deutlich attraktiver machen sollen.
Die Union sollte mit dieser Scheindebatte nun aufhören. Denn klar ist: Der Aufbau der Bundeswehr lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Die Baracken wurden umgebaut, Personal umbesetzt – es dauert, um neue Strukturen wieder aufzubauen. Daher ist es gut und richtig, dass unser Minister einen klaren Weg mit realistischen Erwartungen aufzeigt.
Klares „Nein“ zur Chatkontrolle
Eine anlasslose Massenüberwachung unserer Chats in der EU? Nicht mir uns!
Wieder einmal wird derzeit die sogenannte Chatkontrolle auf EU-Ebene diskutiert. Hierfür hat die dänische Ratspräsidentschaft einen Entwurf vorgelegt, der derzeit daran festhält, anlasslose Scans von privaten Kommunikationsinhalten zu ermöglichen und eine wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzubrechen. Bekämpft werden soll mit der Chatkontrolle Kindesmissbrauch im Netz.
Der Entwurf der dänischen Ratspräsidentschaft ist aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig. Und es ist gut, dass sich die Union endlich den Bedenken anschließt, die unsere Justizministerin Stefanie Hubig von Anfang an hatte. Für uns bleibt der Koalitionsvertrag maßgeblich. Dort haben wir vereinbart, die Vertraulichkeit privater Kommunikation im Netz zu schützen. Die Bundesregierung wird auf europäischer Ebene auf dieser Grundlage verhandeln. Anlasslose Kommunikationsüberwachung muss in einem Rechtsstaat tabu sein. Der Staat darf Messenger auch nicht dazu zwingen, Nachrichten vor Versendung massenhaft mitzulesen. Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen.
In der Debatte müssen wir aber auch klar machen: Kindesmissbrauch muss wirksam bekämpft werden! Es braucht eine klare Rechtsgrundlage und ein koordiniertes europäisches Vorgehen. Die Chatkontrolle ist aber kein passendes Instrument. Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikationsinhalte ist ein hohes Gut.
Bei Fragen meldet Euch bei meinem Berliner Büro unter: carolin.wagner@bundestag.de
Viele Grüße aus Berlin
Dr. Carolin Wagner, MdB
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